2. Folge der ARTE-Reihe
mit den Wohnprojekten Färdknäppen und Dunderbacken (Stockholm), Les Toitmoinous (Villeneuve d’Ascq) und dem Beginenhof (Berlin)
„Wir sind mitten in einem sozialen Experiment“: Immer mehr ältere Menschen gründen Gemeinschaftswohnprojekte. Sie wollen ein neues Leben beginnen, ganz andere Menschen kennenlernen und ihren Horizont erweitern. Die Dokumentation stellt drei unterschiedliche Wohnprojekte aus Schweden, Deutschland und Frankreich vor.
Häuser für die 2. Lebenshälfte
In Schweden wurde bereits Anfang der 90er Jahre das erste Haus „für die zweite Lebenshälfte“ erbaut, dem Haus Färdknäppen („Reisegefährte“) folgten noch viele weitere. Die Häuser werden von den Kommunen erbaut und von den Mietern demokratisch selbst verwaltet. Die Bewohner verstehen sich als „Arbeitsgemeinschaft“, in der jeder seinen Platz hat und bis ins hohe Alter getragen und aufgefangen wird.
„Als wir damals darüber nachdachten, hatten alle Kinder oder schon Enkel. Wir lieben sie, aber wir wollten auch wieder ein eigenes Leben haben. Wir dachten, jetzt sind wir an der Reihe“, erklärt die 80jährige Gun Hedén, die von Anfang an dabei war. Das Modell Färdknäppen wurde sorgfältig geplant: Im Mittelpunkt steht das gemeinsame Kochen. „Fünf Wochen lang geht man einfach nur zum Abendessen, und in der 6. Woche muss man mit einem Team für alle anderen kochen“, erklärt Anne Demerus. „Da spart man viel Zeit und Kraft!“ ergänzt ihr Mann Per. „Man hat das Gefühl, dass es einen Sinn im Leben gibt. Man konsumiert nicht nur einfach, sondern jeder füllt einen ganz individuellen Platz in dieser Gemeinschaft aus.“ Neben den Kochteams gibt es auch Putz- und Gartenteams, aber auch einen Chor, eine Theatergruppe, eine Werkstatt- und Bibliotheksgruppe: Die Bewohner verwalten ihre Häuser selbst und bestimmen demokratisch, was geschieht.
Frauen als Eigentümerinnen
Im Beginenhof in Berlin-Kreuzberg sind ausschließlich Frauen die Eigentümerinnen, auch hier hat sich eine lebendige, bereichernde Gemeinschaft entwickelt, in der in verschiedenen Gruppen gemeinsam getanzt, gekocht, gelesen und diskutiert wird.
„Wir sind mitten in einem sozialen Experiment! Und das mache ich lieber mit Frauen im Boot, zumal wir ältere Frauen oft alleinlebend sind“, sagt die Soziologin Astrid Osterland. Die Bewohnerinnen haben einen langen Lernprozess hinter sich: „Du kommst her und denkst, alle ticken wie ich – und dabei tickt jede anders!“ lacht Urte von Bremen. Inzwischen sind sie aber sehr zufrieden mit ihrer Hausgemeinschaft. Hier können die selbstständigen Frauen, die ihr Leben lang Verantwortung getragen haben, endlich auch mal loslassen und sich nur noch um das kümmern, was ihnen am Herzen liegt. „Die Frauen, die hier leben, geben mir einfach durch ihr Dasein Beispiele: So möchte ich es auch machen, oder so lieber nicht! Das hilft mir auch, meine eigenen Potenziale bewusster zu entwickeln!“ sagt Cordula Grafahrend, die sich in der Gartengruppe betätigt. Viele Frauen engagieren sich auch in sozialen Projekten außerhalb des Hauses, denn sie wollen auch in den Kiez hineinwirken.
Kampf um die soziale Mischung
Die ToitMoiNous („Ein Dach für dich, mich und uns“) im nordfranzösischen Villeneuve d’Ascq sind aus einer Stadtplanungsgruppe entstanden. Sie entwerfen gerade die Pläne für ihr generationenübergreifendes Wohnprojekt. Dabei haben sie vor allem mit der Bürokratie zu kämpfen, denn sie wollen Menschen mit unterschiedlichem Einkommen zusammenbringen.
„Die Gemeinschaft fällt nicht vom Himmel, sondern es ist an uns, all das aufzubauen“, sagt die 75jährige Marie-Hélène Vandenboossch aus Villeneuve d’Ascq in Nordfrankreich. Sie gehört zu einer Studiengruppe, die sich für einen altersgerechten Umbau der Stadt engagiert. „Hier in Villeneuve haben wir ein typisches Altenghetto. Vor 40 Jahren sind hier lauter junge Familien hingezogen, inzwischen wohnen hier nur noch Rentner. Aber keiner begreift, was das für ein Potential ist. Wir können uns doch selber helfen!“, erklärt der ehemalige Journalist Régis Verley. Und seine Frau Françoise ergänzt: „Wir haben die älteren Menschen von Villeneuve nach ihren Wünschen gefragt, und fast alle haben dasselbe gesagt: Keiner will ins Heim, alle wollen so lange wie möglich mobil und aktiv bleiben.“ Deshalb haben Françoise und Régis vor vier Jahren das Wohnprojekt „Les Toitmoinous“ gegründet. Zu den Alten gesellten sich rasch auch junge Familien, es entwickelte sich ein Mehrgenerationenprojekt. Jetzt haben sie endlich ein Grundstück gefunden, und der Bau soll demnächst losgehen. Doch die Toitmoinous kämpfen immer noch gegen die Mühlen der Bürokratie, denn sie wollen eine soziale Mischung: Menschen mit unterschiedlichem Einkommen sollen in das Projekt ziehen können – doch dafür ist das staatliche Regelwerk in Frankreich viel zu starr.
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