„Es sind die Alten, die sich engagieren!“
In Schweden hat man sich bereits in den 1980er Jahren Gedanken über gemeinschaftliches Wohnen im Alter gemacht – und ein ganz neues Modell entwickelt: Häuser für die zweite Lebenshälfte. Das erste Haus namens Färdknäppen („Reisegefährte“) wurde schon 1993 gebaut. „Als wir damals darüber nachdachten, hatten alle Kinder oder schon Enkel. Wir lieben sie, aber wir wollten auch wieder ein eigenes Leben haben. Wir dachten: Jetzt sind wir an der Reihe!“, erklärt die 80jährige Gun Hedén, die von Anfang an dabei war.
Im Gegensatz zu Deutschland, wo alle vom generationenübergreifenden Wohnen schwärmen, war den Schweden von Anfang an klar, dass junge Familien und ältere Menschen auch gegensätzliche Interessen haben können. „Kinder sind hier jederzeit willkommmen, sie lieben unser Haus“, sagt Monica Williams-Olsson. „Aber sie bestimmen nicht den gesamten Alltag.“ Deshalb setzten die Gründer von Färdknäppen auf die gegenseitige Hilfe der Älteren – selbst stark eingeschränkte und demente Menschen werden einbezogen und helfen im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit. Und wenn man bedenkt, dass die Menschen heute immer älter werden, dann bietet die zweite Lebenshälfte auch schon ein sehr großes Altersspektrum. „Die Berufstätigen sind doch den ganzen Tag aus dem Haus, die freuen sich, wenn wir das machen“, sagt Astrid Osterland aus dem Beginenhof Berlin – auch in den altersgemischten Projekten ruht das Engagement für das soziale Leben meist auf den Schultern der Rentnerinnen und Rentner.
Ein neuer Sinn im Leben
Das Modell Färdknäppen wurde sorgfältig geplant: Im Mittelpunkt steht das gemeinsame Kochen. Das gibt es nur in Schweden. „Fünf Wochen lang geht man einfach nur zum Abendessen, und in der 6. Woche muss man gemeinsam mit einem Team für alle anderen kochen“, erklärt Anne Demerus. „Da spart man viel Zeit und Kraft!“ ergänzt ihr Mann Per, „die kann man für andere Aktivitäten nutzen“. Jeder einzelne sei wichtig, so Per: „Man hat hier das Gefühl, dass es einen Sinn im Leben gibt. Man konsumiert nicht nur einfach, sondern jeder füllt einen ganz individuellen Platz in dieser Gemeinschaft aus.“ Neben den Kochteams gibt es auch Putz- und Gartenteams, aber auch einen Chor, eine Theatergruppe, eine Werkstatt- und Bibliotheksgruppe. Die Bewohner verwalten ihre Häuser selbst und bestimmen demokratisch, was geschieht. „Man muss eben Menschen mögen, wenn man hier einzieht“, sagt Gun. „Wir helfen uns gegenseitig, wir wohnen viel sicherer, und so kann man hier prima über 90, ja sogar 100 Jahre alt werden“, strahlt Anne.
Inzwischen hat Färdknäppen viele Nachahmer gefunden: Es gibt etliche Häuser für die zweite Lebenshälfte in Schweden, und die Wartelisten sind lang. Der Clou dabei: Diese Gemeinschaftshäuser werden von den Städten und Gemeinden errichtet, die Bewohner sind Mieter, und deshalb können sich viel mehr Menschen eine solche Wohnung leisten. In Deutschland sind solche Häuser häufig in Privatbesitz, so dass Interessenten über Kapital verfügen müssen. Alternativen bieten Genossenschaften, wie die Mietergenossenschaft Berlin eG, die 23 Häuser in Berlin besitzt.
Mieten geht auch in Deutschland: Die „Alte Schule Karlshorst“
Ein wunderschönes Beispiel für generationenübergreifendes und barrierefreies Wohnen, verbunden auch mit betreutem Wohnen für Kinder und Jugendliche, ist die „Alte Schule“ in Berlin-Karlshorst. Hier wohnen Elisabeth und Günter Richter, die sich als freischaffende Künstler sonst nie eine solche Wohnung hätten leisten können: „Man muss lernen, sich einzubringen, ohne den anderen auf den Wecker zu gehen“, sagt Elisabeth, und Günter ergänzt: „Es ist kein Friede, Freude, Eierkuchen, sondern es soll eine lebendige Atmosphäre sein, mit Gemeinschaftsleben und Kinderlärm: kein Ruhestand, sondern eine Atmosphäre der Achtsamkeit. Hier will keiner mehr ausziehen.“
Entdecken Sie die wunderbare Welt des Gemeinschaftswohnens am 15. April um 22:33 in ARTE: „Das Beste kommt noch: Wohnst du schon?“